BVerwG: „häusliche Absonderung“ von Soldaten nach Auslandseinsatz im Jahr 2020 illegal

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BVerwG: „häusliche Absonderung“ von Soldaten nach Auslandseinsatz im Jahr 2020 illegal

Leipzig/ Berlin. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat die ab April 2020 durch das Verteidigungsministerium im Zuge der CoViD-19-Pandemie veranlassten Quarantäne-Befehle gegen Soldaten, die aus Auslandseinsätzen zurückkehrten, als illegal verworfen. Das Gericht beurteilte die zugrundeliegende Weisung Nr. 5 „Weisung für Maßnahmen bei Ein- und Ausreisen für im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung tätigen Personals im Zusammenhang mit der Lage COVID-19“ vom 11. April 2020 zwar nicht als unmittelbar anfechtbare truppendienstliche Maßnahme, aber zugleich als gründlich illegale Freiheitsentziehung ohne Rechtsgrundlage.

Die Anordnung häuslicher Absonderung war nicht als Maßnahme nach dem Infektionsschutzgesetz gerechtfertigt. Denn die Bundeswehr war bis 18. November 2020 nach § 54a Abs. 1 Satz 1 IfSG unzuständig und durfte nicht auf der Grundlage von § 30 Abs. 1 Satz 1 IfSG die häusliche Absonderung des Antragstellers wegen eines Ansteckungsverdachtes (§ 2 Nr. 7 IfSG) anordnen. Zuständig war das zivile Gesundheitsamt. 

§ 10 Abs. 4 SG war auch in Verbindung mit der Weisung Nr. 5 keine verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Grundlage für Quarantäne- bzw. Absonderungsanordnungen. Seine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung erfasst daher solche Maßnahmen nicht.

Die Anordnung der häuslichen Absonderung verpflichtete den Antragsteller, für den vom Befehl erfassten Zeitraum, seine Wohnung grundsätzlich nicht zu verlassen. Sie stellt damit einen erheblichen Eingriff in die Freiheit der Person des Antragstellers nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG dar. Zwar ist ein solcher Eingriff durch oder aufgrund eines Gesetzes zulässig. Dies setzt aber zunächst voraus, dass das den Eingriff ermöglichende Gesetz das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG erfüllt. Für die Zuständigkeit truppendienstlicher Vorgesetzter, Befehle an Untergebene zu erteilen, sieht das Soldatengesetz eine entsprechende Bestimmung aber nicht vor. § 17a Abs. 2 Satz 2 SG erfüllt zwar das Zitiergebot, betrifft aber allein Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.

Eine die wesentlichen Fragen im Zusammenhang mit einer Quarantäneanordnung regelnde gesetzgeberische Grundentscheidung findet sich in § 10 Abs. 4 SG nicht. Solche Vorgaben für Absonderungs- oder Quarantänemaßnahmen sind auch § 17a SG nicht zu entnehmen. Nähere Bestimmungen über Inhalt, Zweck und Ausmaß des in Rede stehenden Eingriffes finden sich zwar in der Weisung Nr. 5 und ihren Anlagen. Eine Weisung des Bundesministeriums der Verteidigung genügt den Anforderungen des Wesentlichkeitsprinzips allerdings nicht, weil es sich nicht um Entscheidungen des Gesetzgebers handelt.

Quelle: Beschluss des BVerwG vom 31.3.2022 – 1 WB 37.21

Hinweis: Seit 18. November 2020 gilt eine Neufassung des § 54a IfSG, die der Bundeswehr erweiterte Befugnisse im Eigenvollzug überträgt. Unverändert ermöglicht § 30 IfSG jedoch Maßnahmen gegen Infizierte und Infektionsverdächtige. Die erheblich weiter gehenden Aktionen des BMVg bleiben auch nach der Gesetzesänderung Freiheitsentziehungen mit allen rechtlichen Folgen.