Leipzig/ Berlin. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) regelt in einem neuen Beschluss die erweiterten Unterrichtungsansprüche der Personalräte und Vertrauenspersonen (VP) der Soldaten in laufenden Verfahren zur Erstellung der regelmäßigen Beurteilungen. Das BVerwG stützt sich auf die Inhaltsgleichheit von SBG und BPersVG in diesem Punkt ab, so dass die Entscheidung nicht nur für Soldaten interessant ist, sondern ebenso für Beamte und Arbeitnehmer hilfreich ist.
Dabei gibt das Gericht ausdrücklich seine bisherige ablehnende Rechtsprechung bei Soldaten auf und stützt sich dafür auf die seit September 2016 geltende neue Regelung des § 19 Abs. 3 Nr. 2 und 5 sowie § 20 Abs. 1 Soldatenbeteiligungsgesetz (SBG) 2016; ein gegenteiliger, auf die alte Rechtsprechung gestützter Beschluss des Truppendienstgerichts Nord wurde aufgehoben. Geklagt hatte eine Vertrauensperson der Unteroffiziere aus einer Kompanie eines Sanitätsregiments. In der Entscheidung heißt es:
"Die Vertrauensperson ist über die Ergebnisse der Abstimmungsgespräche zur Erstellung von planmäßigen dienstlichen Beurteilungen in Bezug auf ihre Wählergruppe in anonymisierter Form zu unterrichten. …
Ein Verpflichtungsbegehren kann – auch während des Rechtsbeschwerdeverfahrens (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. November 2019 – 1 WRB 2.18 – Rn. 18) – in zulässiger Weise auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt werden (§ 22a Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 und § 19 Abs. 1 Satz 3 WBO), wozu es keiner diesbezüglichen förmlichen Antragstellung bedarf (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. März 2010 -1 WB 42.09 – Buchholz 450.1 § 19 WBO Nr. 3 Rn. 19 m.w.N.). … Die VP hat unter dem Blickwinkel der Wiederholungsgefahr ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Überprüfung und Feststellung, ob ihr der geltend gemachte Unterrichtungsanspruch zustand (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 30. Oktober 2018 – 1 WB 25.17 – Buchholz 449.7 § 24 SBG Nr. 3 – Rn 28). …
Allerdings enthält das Soldatenbeteiligungsrecht keine spezielle Vorschrift, die der Vertrauensperson ein Recht auf Unterrichtung über die Ergebnisse von Abstimmungsgesprächen oder – weiter gefasst – über die Vorbereitung und Durchführung der Beurteilungsrunden gibt, in denen im zweijährigen Turnus für die Soldatinnen und Soldaten planmäßige dienstliche Beurteilungen zu erstellen sind. Die Vertrauensperson kann den geltend gemachten Unterrichtungsanspruch jedoch dem Grunde nach auf § 20 Abs. 1 Satz 2 und 3 SBG in Verbindung mit der allgemeinen Aufgabenzuweisung aus § 19 Abs. 3 Nr. 2 und 5 SBG stützen. … Soweit der Senat bisher einen mit einer allgemeinen Überwachungsaufgabe verbundenen Unterrichtungsanspruch mangels einer entsprechenden Aufgabennorm verneint hat (BVerwG, Beschluss vom 20. April 2016 -1 WB 29.15 – Buchholz 449.7 § 24 SBG Nr. 1 Rn. 42 ff.), ist diese Rechtsprechung obsolet, weil sie sich auf eine Rechtslage bezieht, die seit dem 2. September 2016 nicht mehr fortbesteht.
Das Leistungsprinzip zählt nicht nur bei Status- und Verwendungsentscheidungen, sondern auch, wie sich aus § 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SLV und den Bestimmungen der Zentralen Dienstvorschrift A-1340/50 über die "Beurteilungen der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr" ergibt, bei der Erstellung von dienstlichen Beurteilungen zu den zentralen Rechtsmaßstäben, die zugunsten der Soldatinnen und Soldaten gelten (§ 19 Abs. 3 Nr. 2 SBG) (vgl. zu Beurteilungsrichtlinien bereits BVerwG, Beschluss vom 21. Februar 1980 – 6 P 77.78 – Buchholz 238.3 A § 68 BPersVG Nr. 2 = juris Rn. 17). Entsprechendes gilt für die Verwirklichung der Ziele des Soldatinnen- und Soldatengleichbehandlungsgesetzes und des Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetzes (§ 19 Abs. 3 Nr. 5 SBG), die mit der Bindung an den Maßstab der Eignung, Befähigung und Leistung zugleich im Leistungsprinzip mitenthalten sind. ,,, Dass das Soldatenbeteiligungsrecht im Bereich des Vollzugs der Beurteilungsrichtlinien keinen Beteiligungstatbestand enthält, schließt einen auf die allgemeine Aufgabe des § 19 Abs. 3 SBG gestützten Informationsanspruch der Vertrauensperson nicht aus. …
Für den hier geltend gemachten anlasslosen Unterrichtungsanspruch bedeutet dies, dass dem Antragsteller aus den Ergebnissen der Abstimmungsgespräche die Platzierungen der Soldatinnen und Soldaten seiner Wählergruppe und – bezogen auf die jeweilige Platzierung – der Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung (Nr. 611 ZDv A-1340/50) und die Stufe der Entwicklungsprognose (Nr. 910 Buchst. b ZDv A-1340/50) mitzuteilen waren. Nicht offenzulegen waren die Namen der Soldatinnen und Soldaten. Soweit der Antragsteller gestützt auf § 19 Abs. 3 Nr. 5 SBG weitergehende Auskünfte begehrte, war ihm auf der Basis der eben genannten anonymisierten Daten eine nach Geschlechtern differenzierende Auskunft zu erteilen. Soweit der Antragsteller an einer darüber hinausgehenden Unterrichtung, insbesondere anhand der Unterscheidungsmerkmale des § 1 Abs. 1 SoldGG, interessiert gewesen sein sollte, hätte er diese konkret gegenüber dem Disziplinarvorgesetzten benennen müssen. …
Der angefochtene Beschluss ist schließlich insoweit fehlerhaft, als das Truppendienstgericht nur die Möglichkeit einer Einsicht in Unterlagen, nicht aber die "Möglichkeit der Mitnahme" zubilligen will. Bei umfangreichen und komplexen Angaben oder – wie hier – einem aufbereiteten Zahlenmaterial ist der Disziplinarvorgesetzte regelmäßig gehalten, die Information schriftlich zu übergeben."
Quelle: Beschluss des BVerwG vom 18.12.2019 – 1 WRB 7.18