Neue Regeln für die Änderung bestandskräftiger Bescheide im Beamtenversorgungsrecht

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Neue Regeln für die Änderung bestandskräftiger Bescheide im Beamtenversorgungsrecht

Leipzig. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Vorgaben für die Änderung / Aufhebung von bestandskräftigen Bescheiden im Beamten- bzw. Soldatenversorgungsrecht präzisiert.
Änderungen und neue Erkenntnisse der Rechtsprechung bewirken keine "nachträgliche Änderung der Rechtslage" im Sinne von § 51 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) und eröffnen daher eine Wiederaufnahme bestandskräftig abgeschlossener Verwaltungsverfahren noch nicht. Allerdings kann die Behörde unter den Voraussetzungen des § 48 VwVfG von sich aus tätig werden, wenn sich die getroffenen Entscheidungen im Nachhinein als rechtswidrig erweisen. Eine solche Entscheidung steht jedoch im Ermessen. Bei der Abwägung wird die Behörde die Gesichtspunkte der Rechtssicherheit gegen die materielle Gerechtigkeit abwägen, und häufig gewinnt hier die Rechtssicherheit, soll doch nach Verstreichen der Rechtmittelfristen abschließende Klarheit bestehen. Nur dann, wenn sich eine „Ermessensschrumpfung auf Null“ ergibt, also jede andere Entscheidung als diejenige, das Verfahren wieder aufzunehmen und als rechtswidrig erkannte Entscheidung zu korrigieren, fehlerhaft wäre, verdichten sich die Handlungsoptionen der Behörde zu einem zwingenden Ergebnis.
Ein solcher Fall wird herkömmlich angenommen, wenn das Festhalten an der fehlerhaften Entscheidung als „schlechthin unerträglich“ anzusehen ist.

Für den Bereich des Beamtenversorgungsrechts hat das BVerwG nunmehr entschieden, dass eine derartige „Ermessensschrumpfung auf Null“ (jedenfalls auch) dann gegeben ist, wenn der Europäische Gerichtshof (EuGH) oder das Bundesverwaltungsgericht selbst eine zunächst offene Rechtsfrage abschließend geklärt haben. In diesem Falle gebieten es der Grundsatz der strikten Gesetzesgebundenheit der Beamtenversorgung (§ 3 BeamtVG) wie auch die verfassungsrechtliche Verankerung der Alimentation von Beamten und Soldaten, fortan der materiellen Gerechtigkeit den Vorrang einzuräumen; die mit der Bestandskraft getroffener Entscheidungen eintretende Rechtssicherheit muss dann zurücktreten.

Zeitlich gilt dies – „aus Gründen der Praktikabilität“ – jeweils ab dem Beginn des Kalendermonats nach dem Entscheidungsdatum, also unabhängig von einer Veröffentlichung bzw. Kenntniserhalt, in die Zukunft. Zurückliegende Zeiträume werden nicht erfasst – hier bleibt es bei der ergebnisoffenen Ermessensbetätigung.
Quelle: BVerwG, Urt. v. 7.10.2020 – 2 C 18.19, Rn. 42 – 52.

Das gilt allerdings nicht nur im positiven Falle, sondern umgekehrt auch dann, wenn sich eine begünstigende bestandskräftige Behördenentscheidung als rechtswidrig erweist: Auch dann muss die Behörde mit Wirkung für die Zukunft einschreiten, denn es ist ebenso unzulässig, dem Beamten eine höhere Pension zu gewähren, als ihm von Rechts wegen zusteht.
Quelle: BVerwG, Urt. v. 7.10.2020 – 2 C 1.19, Rn. 29 – 31.